: Schalke schweigt und siegt
Der Medienboykott auf Schalke geht auch nach dem 2:1-Sieg über den VfL Bochum weiter. Sogar Trainer Mirko Slomka zeigt sich solidarisch. Leider werden auch die Nebenwirkungen immer stärker
AUS GELSENKIRCHEN HOLGER PAULER
Der Boykott geht weiter. Auch nach dem 2:1-Sieg im Straßenbahnderby gegen den VfL Bochum und der erfolgreichen Verteidigung der Tabellenspitze wollten die Spieler des FC Schalke 04 nicht mit den Vertretern von Zeitung, Funk und Fernsehen reden. Sogar Trainer Mirko Slomka mischte sich am Samstagabend unter die Verweigerer. Im Aktuellen Sportstudio des ZDF vollzog er einen Medien-Boykott light.
Eigentlich war Slomka in Mainz als Studiogast vorgesehen, doch der Trainer zog es vor, auf der Schalke-Jahresabschlussfeier in der Arena zu bleiben. Die Folge: Slomka musste sich den Fragen von Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein per Live-Schaltung stellen. „Welche Position bekleiden sie im Verein?“ – „Noch bin ich Trainer“, antwortete Slomka leicht irritiert. Hatte er etwas verpasst? Der Boykott jedenfalls scheint nachhaltige Wirkung zu erzielen. Beim obligatorischen Torwandschießen, dem ersten in der Sportstudio-Geschichte per Video-Konferenz, traf er dann nur einmal. Zum Glück sind seine Spieler da etwas zielsicherer.
Seit dem 5. November schweigen und siegen sie. Diverse Interna aus Mannschaftssitzungen waren über die Boulevardpresse in die Öffentlichkeit gelangt. Die Folgen: Trainerneuling Mirko Slomka wurde nach dem frühen Uefa-Cup-Aus in Frage gestellt, Angreifer Halil Altintop bekam eine Denkpause und Torhüter Frank Rost wurde überraschend auf die Bank verbannt. Doch seit Inkrafttreten des Schweigegelübdes sind die Schalker erfolgreich wie nie. Ein Unentschieden und vier Siege.
Gegen den VfL Bochum überzeugten die Schalker allerdings nur in der ersten Halbzeit. Zwei schnell vorgetragene Angriffe sorgten für die 2:0-Führung. Mangels aktiver Alternativen durfte Ex-Spieler Olaf Thon in der Halbzeitpause in die Rolle des ideellen Gesamtschalkers schlüpfen und das Spiel „seiner“ Mannschaft analysieren. Er fand, dass „wir das Spiel gut in Griff haben“ und , dass „wir seit Wochen einen überzeugenden Tempofußball spielen“. Besser hätten es die Profis aus dem aktuellen Kader auch nicht darstellen können. Fragt sich nur, wer kommende Woche in Nürnberg in die Thon-Rolle schlüpft. Wie wär‘s mit Norbert Nigbur, Rolf Rüßmann oder Klaus Fischer?
Der Medienboykott hat allerdings auch unangenehme Nebenwirkungen: Die Bochumer Spieler mussten das am Freitagabend bitter erfahren. Die Mixed-Zone war gähnend leer. Niemand wollte mit ihnen reden. Dabei hatten sie doch einiges zu erzählen. Vor allem über die Nachspielzeit. VfL-Angreifer Thommy Bechmann kam im Schalker Strafraum elfmeterreif zu Fall. Doch Schiedsrichter Manuel Gräfe traute sich nicht, vor der Schalker Nordkurve auf den Punkt zu zeigen. VfL-Trainer Marcel Koller beschwerte sich nach der Partie lautstark beim Unparteiischen. „Der einzige Bochumer, der in dieser Szene einen Elfer gesehen haben wollte“, sagte ARD-Reporter Jürgen Bergener in der Sportschau. Er hätte es besser wissen können. „Es gibt Schiedsrichter, die den Elfer gegeben hätten“, sagte Bochums Philipp Bönig. Mannschaftskollege Marcel Maltritz sprach von einem „klaren Elfmeter“ und auch Thommy Bechmann versicherte, er sei gefoult worden. Jürgen Bergener hatte den Boykott einfach weitergedreht. Ob die Schalker das gewollt haben?
Manager Andreas Müller, mittlerweile eine Art medialer Alleinunterhalter auf allen Kanälen, möchte jedenfalls keine Prognosen mehr abgeben. „Die Mannschaft will nicht reden und ich werde auch nichts tun, dass sich das ändert“, sagte er nach dem Spiel. Vielleicht hat er auch ein anderes Vorbild im Hinterkopf. Die italienische Nationalmannschaft wurde in den Jahren 1982 und 2006 Weltmeister – trotz Medienboykott.